Berufsorientierung bei Schülerinnen und Schülern mit Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot
Die standortbezogenen Unterrichtskonzepte sind in allen Förderschwerpunkten, unabhängig davon, ob die Schülerinnen und Schüler an einem sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrum (SBBZ) oder im Rahmen eines inklusiven Bildungsangebots lernen, von Anfang an so angelegt, dass die Schülerinnen und Schüler auf künftige Herausforderungen im Alltag und auf die Eingliederung in das Berufsleben vorbereitet werden. Das Herrichten des Arbeitsplatzes, das Planen eines Arbeitsvorgangs oder das Lernen, wie ein selbst verfasster Text strukturiert wird, dienen unter propädeutischen Gesichtspunkten bereits diesen Vorbereitungen.
Die Unterrichtskonzepte werden auf der Basis der Individuellen Lern- und Entwicklungsbegleitung (ILEB) und der sonderpädagogischen Bildungspläne und je nach Bildungsgang und Lernort zusätzlich in Orientierung an die Bildungspläne der allgemeinen Schulen entwickelt.
Die Maßnahmen der Beruflichen Orientierung berücksichtigen die Kontextfaktoren einer Behinderung wie die materielle und soziale Situation, Geschlecht, Alter und Erfahrungen, die im Laufe des Lebens gemacht wurden. Die Maßnahmen sind systematisch aufgebaut und umfassen neben Informationsveranstaltungen den Erwerb von Praxiserfahrungen im Rahmen von zeitlich flexibel gestalteten Betriebs- und Sozialpraktika, Praxistagen oder Arbeitserprobungen in der Schule selbst, etwa bei der Arbeit in einer Schülerfirma sowie den Tag der Beruflichen Orientierung an der jeweiligen Schule.
Von großer Bedeutung für die Vorbereitung des Übergangs Schule - Beruf und die Sicherung von Anschlüssen ist die Zusammenarbeit der Lehrkräfte in einem Netzwerk der Kooperationspartner (Vertreterinnen und Vertreter von Industrie und Handwerk, der örtlichen Jugendberufshilfe, ehrenamtlichen Vertreterinnen und Vertretern der Selbsthilfe und Kinder- sowie Fachärztinnen und Fachärzten) sowie die Unterstützung der Beratungsfachkräfte der Agentur für Arbeit, gegebenenfalls der Beratungsfachkräfte für Rehabilitation der Agentur für Arbeit und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Integrationsfachdienstes. Siehe hierzu auch ergänzend den Artikel "Kooperation zwischen SBBZ und allgemeiner Schule (IBEZA)".
Wenn bei einem Schüler oder einer Schülerin mit den Förderschwerpunkten geistige Entwicklung, Sehen, Hören oder körperliche oder motorische Entwicklung in dem Schuljahr vor dem Übergang in eine Berufsausbildung oder eine Berufsvorbereitung der Sekundarstufe II festgestellt wird, dass ein Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot fortbesteht, ist eine Berufswegekonferenz durchzuführen.
In der Berufswegekonferenz wird von der Schulaufsichtsbehörde "unter Beteiligung der Schülerinnen und Schüler, der Erziehungsberechtigten, der berührten Schulen und Schulträger sowie der notwendigen Leistungs- und Kostenträger" der für die Schülerinnen und Schüler "am besten geeignete Bildungsweg und -ort festgelegt, um die bestmögliche berufliche Integration zu erreichen." Die individuellen Voraussetzungen und Perspektiven sowie die Wünsche der Schülerinnen und Schüler und ihrer Eltern werden berücksichtigt.
Diese Regelung gilt auch für Schülerinnen und Schüler, die im Anschluss an die Sekundarstufe I "besondere Vorkehrungen durch die Schule, die Berufsberatung der Agentur für Arbeit, den Integrationsfachdienst oder den Träger der Sozialhilfe oder der Jugendhilfe benötigen".
¹SBA-VO: Verordnung des Kultusministeriums über die Feststellung und Erfüllung des Anspruchs auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot
Das Kompetenzinventar ist ein Instrument, mit dem bei Bedarf der Prozess der Beruflichen Orientierung und Erprobung bei Schülerinnen und Schülern mit Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot systematisch erfasst und dokumentiert werden kann. Dem Kompetenzinventar liegt die Auffassung zu Grunde, dass sich Behinderung aus der Wechselwirkung von körperlicher Funktionsfähigkeit und Kontextfaktoren definiert. Es kommt dann zur Anwendung, wenn ersichtlich wird, dass für die jungen Menschen mit Behinderung im Hinblick auf die spätere Eingliederung in das Berufsleben spezifische Vorkehrungen getroffen werden müssen.
Es liegen Module für die Bereiche Hören, Sehen, Motorik, Lernen, Sprache, Emotion und Kognition, Autismus und Epilepsie vor. Mit ihrer Hilfe können die beruflichen Potentiale junger Menschen mit Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot bereits in der Schule erkannt und beschrieben werden. Damit sind die Voraussetzungen geschaffen, dass die Schülerinnen und Schüler bei ihrer Entwicklung zur Ausbildungsreife sowohl in der Schule als auch während ihrer Praktika unterstützt werden können.
Für die Vorbereitung der beruflichen Eingliederung von Schülerinnen und Schülern mit Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot ist die Kooperation zwischen sonderpädagogischem Bildungs- und Beratungszentrum und allgemeinbildender Schule im Rahmen der Institutionenbezogenen Zusammenarbeit von großer Bedeutung. So können beispielsweise gemeinsame berufsorientierende Veranstaltungen stattfinden und fachliche Kenntnisse in Bezug auf Leistungen zur Teilhabe nach den Sozialgesetzbüchern ausgetauscht werden.
Bei BVE und KoBV handelt es sich um kooperative aufeinander aufbauende Angebote. Schülerinnen und Schüler mit Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot in den Förderschwerpunkten Lernen oder geistige Entwicklung, die die Pflicht zum Besuch einer allgemein bildenden Schule an einem SBBZ oder an einer allgemeinen Schule im Rahmen eines inklusiven Bildungsangebots erfüllt und das Potenzial haben, ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis aufzunehmen, kommen für eine Teilnahme in Frage. Die Entscheidung über die Teilnahme trifft die abgebende Schule zusammen mit den Schülerinnen und Schülern und den Eltern und den außerschulischen Partnern, Agentur für Arbeit und Integrationsfachdienst, im Rahmen einer Berufswegekonferenz auf der Grundlage einer Kompetenzanalyse.
Eine BVE dauert zwei Jahre. Die Jugendlichen erhalten durch Angebote wie die Förderung der Mobilität, des Probewohnens und individuell ausgestaltetet Betriebspraktika die Möglichkeit, die für den Arbeitsmarkt und das Alltagsleben wichtigen Fähigkeiten zu erproben und weiterzuentwickeln.
Über die Aufnahme in die KoBV entscheiden die Leistungsträger im Anschluss an eine individuelle Berufswegekonferenz und ein Übergangspraktikum. Die KoBV besteht aus drei verzahnten Elementen: Berufsschulunterricht mit sonderpädagogischer Unterstützung, Unterstützung und Begleitung durch den Integrationsfachdienst und das Jobcoaching im Rahmen einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme. Die KoBV dauert in der Regel 18 Monate.
Die Kooperationsklasse sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum - berufliche Schule ist ein zweijähriger Bildungsgang, der die neunte Klasse des SBBZ mit Förderschwerpunkt Lernen mit dem VAB (Vorqualifizierungsjahr Arbeit/Beruf) der beruflichen Schulen verzahnt. Die Schülerinnen und Schüler erhalten hier direkt im Anschluss an die achte Klasse die Möglichkeit, sich zu erproben, indem sie in bis zu drei Berufsfeldern erste berufsfachliche und berufspraktische Kompetenzen erwerben. Am Ende des zweiten Jahres der Kooperationsklasse kann, wenn die Voraussetzungen vorliegen, ein dem Hauptschulabschluss gleichwertiger Bildungsabschluss erworben werden.